Das gräsig grüne Krokodil

(Oder: Das Blockflötenseminar)

Es lebte einst am blauen Nil
ein gräsig grünes Krokodil.
das mit dem Rachen breit und lang
so ziemlich jedermann verschlag.
Großmutter fraß es und die Liesel
und auch den Hans, den dummen Stiesel.
Sonst lag’s am Ufer, fett und faul,
die Zähne ragten rings ums Maul.

Der Kasper, er kam als Tourist,
dieweil’s ein rechter Spaß doch ist,
von Pyramiden und Kamelen
zu Hause etwas zu erzählen,
und traf alsbald am blauen Nil
das gräsig grüne Krokodil.
Es riss weit auf die starken Kiefer.

Des Kaspers Herz sank immer tiefer,
um nicht zu sagen in die Hose,
denn recht gefährlich schien die Chose.
Dann die Idee: „Na, ist doch klar,
hier hilft das Flötenseminar!
Der Wohlklang, den ich dort vernahm,
macht selbst ein Ungeheuer zahm.
Packt’ ich nicht auch zu diesem Zweck
statt Pritschen Flöten ins Gepäck?“
Flink griff er nach dem Instrument,
das jeder von Euch ja wohl kennt,
und spielte darauf gut gelaunt.
Das Krokodil war bass erstaunt.

Doch gleich beim ersten falschen Ton
schwand seine bess’re Stimmung schon.
(Es hätt’ der Kasper nicht gepatzt,
hätt’ er nicht immer rumgeschwatzt,
wenn ihm die Meist’rin was erklärte,
lobt sie auch Töne, ganz verkehrte.)
So kam der Kasper nun in Nöte.
Das Krokodil schnappt’ nach der Flöte
und schluckte sie in einem Stück!
Doch – plötzlich – tönte süß Musik
tief aus der Bestie grausem Schlund.
Das Tier erstarrte förmlich, und . . .
aus seinem Auge quollen Tränen,
es grinste schief mit gelben Zähnen:
„O Kasper, geht es denn wohl an,
dass ich auch einmal kommen kann,
dass ich in Eurem heit’ren Stil
ein kleines Stückchen mit Euch spiel’?“

Der Kasper dachte gründlich nach
und gab alsdann zur Antwort:“Ach,
bleib lieber hier am blauen Nil,
du gräsig grünes Krokodil.
Lass von des Meisters schönen Noten
die schlammig schmutz’gen Krallenpfoten.
Es reicht ein Fass voll Rum nicht mal,
zu lindern seine Seelenqual,
muss er die Risse und die Ecken
in seinem Fafnirschatz entdecken.“

Das Krokodil war ganz empört:
„Ich weiß ja wohl, was sich gehört!
Zerreiß ich auch fast jedermann,
rühr’ ich doch Noten niemals an.
Und solltest Du das je vergessen,
so wirst Du gleich von mir gefressen!“

Da hat der Kasper sich berichtigt
und schnell das Krokodil beschwichtigt.
„Hast man erst mal von Dir vernommen,
so kannst Du sicher gerne kommen.
Die Meist’rin hat, nun gib gut acht,
auch ihre Tochter mitgebracht,
die ist erkältet zum Erbarmen.
Du brauchst beim Flöten mit der Armen,
des Schlammgestanks Dich nicht zu schämen,
er ist für sie nicht wahrzunehmen.
Ansonsten ist sie wirklich nett,
spielst Du mit ihr mal ein Duett.

Das Krokodil war voller Freude.
„Auf, auf, sprach es, wir wollen beide
sofort zum Seminar aufbrechen,
mit Meist’rin und mit Meister sprechen.“

Der Kasper mochte es nicht kränken,
doch hatte er durchaus Bedenken.
Da griff er schlau zu einer List,
und meinte nach nur kurzer Frist:
„So lass uns, Krokodil, nun reisen.
Im Seminar wirst Du gut speisen,
denn jede Mahlzeit dort schmeckt lecker.
Früh gibt es Brötchen, frisch vom Bäcker.
Dazu die tollen Vitamine
in Birne, Pflaume, Apfelsine.
Und dann die köstlichen Salate
mit Bohnen, Zwiebel und Tomate!
Und gar der Aufschnitt. Vegetarisch!
Das ist für Dich doch kulinarisch.“

Dem Krokodile kamen Zweifel:
„Kein rohes Fleisch gibt es, zum Teufel?!
Ich werde meinen Hunger stillen
und mir mit Dir den Magen füllen!“

Der Kasper lenkte schleunigst ein,
er wollte keine Mahlzeit sein:
„Nun ja, in diesem Jahre kamen
so an die dreißig resche Damen,
die, wenn sie nicht gerad musizieren,
und da dem Maestro brav parieren,
wie Furien durcheinander rennen.
Man möcht’ es fast chaotisch nennen.
Vielleicht, wenn Du mal eine frisst,
dass dies nicht zu bemerken ist.
Hast Du jedoch dabei kein Glück,
so ist es aus mit der Musik..“

Das arme Krokodil war traurig,
es seufzte tief und ächzte schaurig:
„So muss ich mich denn jetzt entscheiden.
Kein Flöten? Oder Hunger leiden??
Und dann auch noch, o je, die Damen,
wie merk ich mir die ganzen Namen?
Ein Krokodil schafft das mitnichten.
Voll Gram und Leid heißt es verzichten.“
Es krümmte seinen Zackenschwanz,
im Aug’ erlosch der Freudenglanz,
und es verschwand im blauen Nil
das gräsig grüne Krokodil.

Nur aus der Tiefe hört man doch
so ab und zu die Flöte noch.