Der Blockflötist ist oft verdrießlich,
denn täglich fast fragt er sich schließlich,
warum man wohl sein Instrument
in aller Welt so arg verkennt,
war’s doch noch in der Renaissance
sogar bei Hof nicht ohne Chance,
ergötzte dort fürwahr nicht wenig
selbst Kaiser, Edelfrau und König,
den Wächter auf der hohen Zinne,
den Sänger, angefüllt mit Minne,
das Mägdlein, winkend von dem Söller,
den trunknen Mundschenk tief im Keller
das ganze Burgvolk ringsumher
samt Gaukler und samt Zottelbär.
Kurzum, wie sich daraus ergibt,
es war bei jung und alt beliebt.
Auch im Barock und der Moderne,
da hörte man’s noch leidlich gerne,
und auch die Herren Komponisten,
sie achteten den Blockflötisten,
doch allgemein ging irgendwie
so peu a peu sein Ruf perdu.
Wie kam das Übel, dieses fiese???
Dies nun ist meine Analyse:
Ad eins, man drückt gern hierzuland
die Flöte in des Kleinkinds Hand
und hofft, es käm die schlichte Tute
der Musikalität zugute.
Das Kind, teils mit, teils ohne Neigung
erprobt des schrillen Tons Erzeugung,
wobei es noch gleich unverzagt
den Flötenkopf total zernagt.
Begeistert ruft das Elternpaar:
„Na, ist denn das nicht wunderbar?
Noch gestern in der Strampelhose
und heut schon Flötenvirtuose!“
Und es ist ganz und gar empört,
zeigt sich der Nachbar sehr gestört.
Da gibt’s gleich wieder einen Mann,
der keine Flöte leiden kann.
Ad zwei geht’s weiter in der Schule,
dem ehrenwerten Wissenspfuhle,
in den man taucht der Kinder Köpfe,
dass jedes daraus Weisheit schöpfe
und sei am Ende hochgelahrt.
Doch bei Musik, da wird gespart!
Die Billigkeit des Blasrohrs nutzend,
verwendet man’s jetzt gleich im Dutzend.
Sehr löblich ist die Absicht zwar,
doch leider lernt die Schülerschar
bei solchem Massenunterricht
das Flötespielen sehr oft nicht,
denn wichtig ist, das weiß man ja,
das dü-dü-dü und da-da-da.
Hat man im Saal beim Schulkonzert
die Eltern dann erst eingesperrt
dringt von der Bühne bald ins Ohr
ein Urgeräusch – der Flötenchor!
Man applaudiert ihm unermüdlich,
„Mein je, wie war die Kleine niedlich!
Hab’n Sie gesehn, wie hübsch sie blies
und ihren Sinn für Kunst bewies?“
Doch insgeheim gesteht man sich,
es klang schon ziemlich fürchterlich.
Und wiederum aus dem Behuf
kommt unsre Flöte in Verruf.
Ad drei, nun wird’s noch schlimmer, denn
die Mauser naht zu Teen und Twen.
Da reißt kein Knab sich stolz vom Mädchen.
O nein, man steigt auf’s Motorrädchen
und in der Disco, lärmerfüllt,
wird letzte Flötenlust gekillt.
Denn wen die Technik roh umdröhnt,
der wird des sanften Lauts entwöhnt.
Bleibt doch noch einer kunstbeflissen
und möchte die Musik nicht missen,
spielt gar schon Händel’sche Sonaten,
dem wird nun allsogleich geraten:
„Mensch, du hast doch was auf dem Kasten,
drum spiel Klavier, hau in die Tasten,
zeig die rasanten Blastalente
auf klappenreichem Instrumente,
traktiere Darm- und andre Saiten,
dann wird Dich Ruhm und Preis begleiten.“
Und wiederum ist es passiert.
Die Blockflöte wird abserviert,
bleibt miserables Aschenputtel
für Babies und für alte Muttel.
Und keiner, der sie so verbannte,
sie jemals Flauto Dolce nannte,
obwohl ihr süßer Ton beweist,
dass sie mit gutem Recht so heißt.
Es kommt nur eben darauf an,
dass einer mit ihr umgehn kann.
Glaubt mir, dazu genügt es nicht,
macht man nur ein paar Löcher dicht.
Nein, uns’re Flöte recht zu spielen,
heißt Melodien atmend fühlen.
Und wer das hört, sogleich erkennt,
hier klingt ein schönes Instrument,
in dem die Vögel und der Wind
für immer eingefangen sind.
1986, anlässlich eines Abschlussabends beim Hamburger Praetoriuskreis