Georg Philipp Telemann

(1681 – 1767)

Ich mache nunmehr den Versuch
– und las dafür ein dickes Buch –
von Telemann hier zu berichten.
Ach je, da muss ich lange dichten
und einiges zuvor verlesen,
was sich befasst mit deutschem Wesen,
bei dem gern, was zu Ruhm gelangt
an des Gedankens Blässe krankt.
Kunst braucht, denkt man gern hierzuland,
den analytischen Verstand,
den Tiefsinn und die Grübelei.
Musik gar, heißt’s von Übel sei,
wenn man bei ihr zum Kunstgenuss
sich nicht den Kopf zerbrechen muss.
Und weil man solchen Blödsinn treibt,
so mancher gleich ihr ferne bleibt.

Bei Spielern aber streitet man,
geht’s um das Werk von Telemann.
Da schilt man schnell.“Wie leer, wie flach,
was ist der Kerl schon gegen Bach!?
Wie klingts so leicht, so simpel schön,
das kann ja jedes Kind verstehn.“
Nun, wenn das Telemann gehört,
er hätte, keineswegs empört,
gemeint: „Das stimmt, das wollt’ ich ja,
Musik ist doch für alle da.
Was ich für jedermann erdacht,
hat Beifall mir – und Geld! – gebracht.“
Schon früh erkannte er ganz richtig,
Musik ist für den Menschen wichtig.
Zwar wurde er nicht gleich geschwind
wie Bach und Mozart Wunderkind,
doch mit zwölf Jahren immerhin
in Magdeburg, so als Beginn,
fiel ihm schon eine Oper ein,
bei der – der Beifall war nicht klein –
er noch die Titelrolle sang.

Der Mutter wurde angst und bang,
denn bürgerlich ihn zu erziehen,
war doch ihr sehnliches Bemühen,
seit ihr der Gatte früh verstarb,
nachdem er Wohlstand erst erwarb.
Und so beschwor sie ihren Sohn:
„Lass ab von der Komposition!“

Der nickte brav, es war gescheiter,
und musizierte heimlich weiter.
Er lernte singen, blasen, geigen,
kaum brauchte man es ihm zu zeigen.
Wie wären heut die Eltern froh,
ging’s ihren Kindern ebenso.

Doch seine Mutter war entsetzt,
schickt in ein kleines Kaff ihn jetzt,
dass er beim Lehrer in der Ferne
nur noch was ganz Reelles lerne..
Das war mal wieder falsch gedacht.
Auch dort hat man Musik gemacht.

In Hildesheim lief’s fast noch schlimmer,
denn im Gymnasium dort, wie immer,
erfreute er durch sein Talent.
Er war gefragt als Dirigent,
als Sänger, Komponist und Spieler
und blieb trotzdem ein guter Schüler.
Bewegt durch seiner Mutter Klagen,
wollt dennoch er der Kunst entsagen
und sich in Leipzig nur allein
Dem strengen Jurastudium weihn.

Man ahnt es schon, auch das ging schief,
er wurde wiederum aktiv,
denn ein Student, bei dem er wohnte,
gab ihm ’nen Psalm, den er vertonte.
Es wurde, was er komponiert
nun in St.Thomas aufgeführt.
Man zahlte dafür bares Geld
und hat ihn bald fest angestellt.
Selbst seiner Mutter war nun klar,
dass hier nichts mehr zu machen war.

Es wechselte der Sohn hinfort
recht häufig Arbeitsplatz- und Ort,
um möglichst noch in jungen Jahren
von der Musik viel zu erfahren.
Wie man auf Italienisch sang,
wie’s polnisch und französisch klang,
wie man Musik bei Hofe übte,
wie sie dem Bürgertum beliebte,
das alles, wie sein Werk beweist,
nahm auf sein allzeit wacher Geist.
Nie wollte er dabei im starren
Gerüst des Kontrapunkts verharren,
von dem er schrieb, dass oft doch dies
die Melodien vermissen ließ.
Ihm fielen sie in Fülle ein
und schienen viele zu erfreun,
denn, leugnet’s man auch gern im Fach,
er hatte mehr Erfolg als Bach.
Auch von Kollegen, – nicht zuletzt
von Bach- wurd Telemann geschätzt,
der bei der Bach’schen Kinderschar
der Pate eines Sohnes war.

Zwei Male, er erwähnt’s am Rand,
erprobte er den Ehestand.
Die erste Eh’ war kurz, doch glücklich,
die zweite äußerst unerquicklich.
Sein Weib, es ist ihm durchgebrannt
und ließ nebst Schulden kurzerhand
die vielen Kinder ihm zurück.
Doch trübte das nur kurz sein Glück,
denn Hamburg, seine Schlussstation,
hielt treu zu ihrem Musensohn,
und eine Sammlung heilte flugs
den Schaden, der ihm da erwuchs.

Dort war’s auch, wo er komponierend,
gern in der Kirche musizierend,
dabei auch noch die Oper leitend
und eine Fachzeitschrift verbreitend,
durch die Musikwelt rastlos eilte
und sechsundvierzig Jahre weilte.
Zwar kam es vor, dass ihn verdross
das Geld, wenn es nicht reichlich floss,
auch wenn die Drucker, ungelogen,
ihn um der Arbeit Lohn betrogen.
Doch hat er sich stets arrangiert
und letztlich ganz schön abkassiert.

Den einz’gen Urlaub – in Paris –
genoss er wie das Paradies,
beglückt vom spritzigen Esprit,
der so in Deutschland nicht gedieh.
Und wer heut Telemann entdeckt,
hört, dass in seinen Sätzen steckt
Paris, Europa und die Welt
so, wie sie heiter uns gefällt-
Man spürt, er war ein Optimist.
Ins Herz schließt ihn der Blockflötist,
dem er die schönsten Stücke schrieb
Drum end’ ich so: Mir ist er lieb!

(Für einen Musiknachmittag in Bremerhaven)